Allgemein, Beratung, Versicherungsgesellschaft

Das Lied von Schulen und Versicherungen…

Vor einiger Zeit hatte ich einen Termin mit einer jungen Frau. Im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus das sie von Versicherungen und Finanzen relativ wenig Ahnung hatte. Das ist eigentlich erst einmal kein Problem, dafür gibt es ja mich. In dem Zusammenhang sagte sie aber, das es schon gut wäre wenn in der Schule solches Wissen besser vermittelt werden würde. Da stimme ich ihr absolut zu! Ein paar Tage später war der Lehrer unseres Praktikanten Jonas bei uns um nach dem Rechten zu sehen. Wir unterhielten uns ein bisschen und kamen auch auf das Thema Vermittlung von Finanzwissen in der Schule zu sprechen. Ich fragte ihn ob es nicht vorstellbar wäre, das in Zusammenarbeit mit uns als Teil des Unterrichtes durchzuführen. Meinetwegen in den wirtschaftlichen Fächern. Er meinte, er könne sich das schon ganz gut vorstellen und wäre auch absolut dafür. Aber von Seiten der Schulleitung wäre das überhaupt nicht möglich. Die Begründung war recht einfach:

„Dann würden sich andere Versicherer beschweren und ich müsste allen Versicherern die gleiche Möglichkeit geben!“

Und in Teilen der Elternschaft ist die Angst groß,  das den Schülern unkontrolliert Angebote und Verträge angedreht werden. Na dann ist ja alles klar! Aber warum erzähle ich euch das alles? Weil ich letztens in einer großen deutschen Wochenzeitschrift einen Artikel gelesen habe, der mich dann doch etwas staunen ließ. Dabei ging es um Schulen in Baden-Württemberg. In anderen Bundesländern gibt es das Modell übrigens in dieser Form nicht.

„Den musst du ausfüllen, Mama.“ Mit diesen Worten legten die beiden Söhne von Juliane S. ihr jeweils einen hellgrünen Zettel hin. Sie kannte das schon. Am ersten Schultag nach den Ferien bringen die beiden, zehn und elf Jahre alt, immer diverse Schreiben der Schule nach Hause. Und einer ist immer hellgrün. Es ist ein „Versicherungsausweis für die Schüler-Versicherungen“. Zu Schuljahresbeginn werden in Baden-Württemberg an staatlichen und privaten Schulen von den Klassenlehrern Versicherungspolicen an die Schüler verteilt. Im württembergischen Teil des Bundeslandes die der Württembergischen Gemeinde-Versicherung AG (WGV) und im badischen Teil des Landes die des Badischen Gemeinde-Versicherungs-Verbandes (BGV). Alle 1,5 Millionen Schüler bekommen eine Police ausgehändigt, verbunden mit der Bitte des Lehrers, den Vertrag inklusive der fälligen Rate wieder abzugeben. Die Versicherung kostet nicht viel, nur einen Euro pro Schuljahr. „Da hinterfragst du das gar nicht“, sagt die 44-Jährige. Wie der Mutter aus Esslingen geht es Hunderttausenden Eltern in Baden-Württemberg. Sie unterschreiben, geben ihren Kindern den Euro mit und vergessen die Angelegenheit wieder. Manche füllen auch eine der Zusatzversicherungen aus für Garderobe (ein Euro), Fahrrad (sechs Euro), Musikinstrumente (sechs Euro) und für Internatsschüler (sechs bis sieben Euro). Inbegriffen sind neben einer Haftpflicht-, auch eine Unfall- und Sachschadensversicherung.

Also Lehrer verteilen Versicherungspolicen an Schüler? Auch nicht schlecht. Wahrscheinlich haben die Lehrer die Schüler auch gleich noch bedarfsgrecht beraten. Ja klar! Dazu muß man anmerken: Die Schüler sind meistens über die Haftpflicht der Eltern mitversichert. Für Unfallschäden zahlt die gesetzliche Unfallversicherung oder die schon bestehende Police der Eltern. Und die anderen versicherten Sachen werden meist von einer Hausratversicherung abgedeckt. Aber weiter im Text:

Die Praxis besteht schon seit 1971. Sie widerspreche einer Verwaltungsvorschrift vom September 2002 zur „Werbung für wirtschaftliche, politische, weltanschauliche und sonstige Interessen“ an baden-württembergischen Schulen. Das Land hatte allerdings vier Jahre zuvor die Schülerzusatzversicherungen in einer anderen Verwaltungsvorschrift noch gutgeheißen. In anderen Bundesländern kennt man solche Geschäfte in Schulen nicht. „Die Schulen behandeln das Angebot meist wie eine Pflichtversicherung. Dabei ist es das gar nicht“, erklärt Peter Grieble von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.

Aber es wird noch viel besser.

Der Mann von Juliane S. ist Berufsschullehrer. Er hatte sich bei seinem Schulleiter darüber beschwert, auch noch als Versicherungsmakler agieren zu müssen. Der Rektor aber bestand auf dem Verfahren. Notfalls müsse man bei den Schülern, die keine Police abgeben wollten, eben Druck machen. „Denen wurde gesagt: Wenn ihr da nicht dabei seid, dann dürft ihr zu keinem Ausflug mehr mitfahren“, erzählt Juliane S.

Geht man da etwa her und droht mit Konsequenzen bei Nichtabschluss der Versicherung? Die involvierten Gesellschaften geben an, davon nichts zu wissen. Das müssen sie aber auch sagen. Denn wenn sich herausstellen sollte, das sie über diese Praktiken informiert sind, dann wäre der öffentliche Aufschrei zu Recht unglaublich groß. Und die Folgen nicht absehbar. Wenn man sich mal überlegt, das ich oder meine Kollegen aus dem normalen Vertrieb auf diese Art und Weise Beratungen durchführen und Abschlüsse tätigen:

Man würde uns kreuzigen!!!

Natürlich haben sich auch schon Verbraucherschützer und die beteiligten Versicherer zu diesem Thema geäußert.

Verbraucherschützer kritisieren solche Praktiken schon lange. Kritisch sehen die Verbraucherschützer auch, dass es keinerlei Beratung beim Verkauf der Versicherungen gebe. Die Konzerne halten dagegen, das sei wegen der Geringfügigkeit der Police von einem Euro gar nicht notwendig. Die „Mitwirkung der Lehrkräfte“, sekundiert auch das Ministerium, falle „kaum ins Gewicht“.

Seit wann die gesetzlichen Regelungen zur Beratungsqualität an den Beitrag gebunden sind, ist mir nicht ganz klar. Es gibt Regelungen, wie ausführlich die Beratung bei unterschiedlich komplizierten Produkten sein muss. So ist z.B. der Beratungsaufwand für eine Haftpflichtversicherung geringer wie für eine BU-Versicherung. Aber eine Beratung hat in jedem Fall stattzufinden. Das Ergebnis dieser Verkaufspraxis kann sich wohl jeder vorstellen:

Für WGV und BGV stellen die Ein-Euro-Verträge in Summe ein einträgliches Geschäft dar – bei minimalem Aufwand. Sie müssen lediglich die Policen an die Schulen senden. Die Lehrer verteilen die Verträge und kassieren das Geld. Die Schulverwaltungen überweisen die Beiträge an die Konzerne. Angaben über Einnahmen verweigern BGV und WGV mit Verweis auf „vertragliche und gesetzliche Vorgaben“ sowie auf „Geschäftsgeheimnisse“.

Abschließend bleibt mir dazu nur eines zu sagen:

Wenn Lehrer hergehen und sich zum Versicherungsvermittler machen, stellt sich mir die Frage nach der Berechtigung. Gehe ich vielleicht her und unterrichte an Schulen? Nein! Und warum nicht? Ganz einfach:

Weil ich keine Ahnung und nicht die Qualifikation zum Unterrichten habe!

Und die Eltern machen sich Gedanken darüber, ob bei einem Unterrichtsangebot zum Thema Versicherungen ihren Kindern Verträge angedreht werden. Sie haben allerdings kein Problem damit, wenn ihren Kindern und ihnen selbst die Verträge ohne Unterricht verkauft werden. Komische Welt!

Ich wünsche euch einen schönen Tag…

Euer Maik

(In diesem Beitrag zitiere ich Textpassagen aus einem Artikel einer anderen Zeitschrift.)

 

 

 

4 Gedanken zu „Das Lied von Schulen und Versicherungen…“

    1. Das sehe ich auch so. Vor allem wird hierbei einfach das Thema Beratung umgangen das von unserer Berufsgruppe ja immer vehement, und zu Recht, eingefordert wird.

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